Obama Home Alone

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Obama allein zu Haus

Ein Kommentar von Nikolaus Piper

Barack Obama verliert einen seiner wichtigsten Wirtschaftsberater – schon wieder. Und das ausgerechnet in einem Moment, in dem er Berater so dringend braucht. Denn der US-Präsident muss seine Wirtschaftspolitik ändern.

Jenseits der amerikanischen Grenzen wird immer noch unterschätzt, wie unpopulär Barack Obama zu Hause geworden ist. Knapp die Hälfte aller Amerikaner denken, er arbeite schlecht. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Wähler zur Mitte der Amtszeit von ihrem Präsidenten enttäuscht sind, ungewöhnlich ist aber das Ausmaß der Enttäuschung.

Und das hat vor allem mit der Wirtschaft zu tun. Obama hat zwar den freien Fall in die Depression gestoppt, aber die Wähler danken es ihm nicht, sondern machen ihn für den Flurschaden verantwortlich, den die Finanzkrise hinterlassen hat.

Vor diesem Hintergrund markiert der Rücktritt von Larry Summers, dem wichtigsten Wirtschaftsberater des Präsidenten, eine Wende. Er ist Ausdruck der Krise, gibt Obama aber auch die Chance zu einem Neuanfang. Summers ist binnen kurzer Zeit der Dritte aus Obamas Wirtschaftsteam, der das Weiße Haus verlässt. Den Anfang hatte Haushaltsdirektor Peter Orzag gemacht, ihm war Beraterin Christina Romer gefolgt. Dass nun auch noch Finanzminister Timothy Geithner geht, gilt als unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen.

Für den Rücktritt von Summers gibt es eine einfache Erklärung: Der Ökonom hatte gehofft, Nachfolger von Ben Bernanke als Chef der Notenbank zu werden. Da Obama ihm diesen Job nicht gab, zieht es ihn in seine Heimat, an die Harvard-Universität, zurück. Seine Rückkehr-Garantie läuft dort im Januar aus, er musste jetzt handeln.

Diese Erklärung widerspricht nicht der tieferen Erkenntnis, dass Summers wie kaum ein anderer die Widersprüche der bisherigen Wirtschaftspolitik Obamas verkörpert und insofern zur Last geworden war. Summers ist ein brillanter Ökonom, aber ein schlechter Manager. Er hat großes Talent darin, sich Feinde zu machen.

Als Harvard-Präsident musste er zurücktreten, nachdem er erklärt hatte, Frauen seien für akademische Karrieren weniger geeignet als Männer. Als Finanzminister unter Bill Clinton hatte er verhindert, dass der Handel mit neuen, hochspekulativen Finanzprodukten reguliert wurde. Insofern trägt er ein Stück Schuld an der Finanzkrise. Die Kombination von Arroganz und Nähe zur Wall Street aber ist das genaue Gegenteil dessen, was ein Präsident brauchen kann, dessen Partei im November eine schwierige Wahl zu bestehen hat.

Das eigentliche Problem mit Obamas Wirtschaftsteam lag darin, dass es – im Wortsinne – ein Krisenteam war. Es war überaus erfolgreich, eine epochale Krise schnell einzudämmen. Die Schwierigkeiten begannen, als das Schlimmste überstanden war, und es eigentlich darum gegangen wäre, die Hoffnungen, die der Kandidat Obama geweckt hatte, in praktische Politik umzusetzen.

Aber der Charismatiker Obama verlor die Verbindung zu seinen Wählern. Die immer bösartiger auftretende Opposition mobilisierte die Gegner, die Anhänger zogen sich enttäuscht zurück. Vieles, was der Präsident anpackte, seine Gesundheitsreform etwa, war im Prinzip gut, in der Umsetzung aber ungenügend. Zu lange wusste niemand, wofür der Präsident stand, und bis heute ist unklar, ob das Gesetz wirklich die Kosten des Gesundheitssystems eindämmen kann. Eindeutige Erfolge wurden schlecht vermittelt. General Motors, von Obama in die geordnete Insolvenz geschickt, schreibt wieder Gewinne, seine Finanzmarktreform ist zum Vorbild für den Rest der Welt geworden. Beides änderte nichts an der Anti-Obama-Stimmung im Land.

Für Obama wird es nicht leichter

Das Schicksal der Präsidentschaft hängt nun davon ab, ob Obama seine Wirtschaftspolitik ändern kann – weniger in der Substanz, dafür umso mehr im Stil. Die Amerikaner haben ja recht, wenn sie wütend und verängstigt sind. Anders als in Deutschland hat die Krise hier zu einem dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt.

Das ist nicht Obamas Schuld, sondern hat mit Strukturproblemen wie der Misere des Schulsystems zu tun. Unabhängig von der Schuldfrage aber verlangen die Amerikaner von ihrem Präsidenten, dass er ihre Not versteht, dass er Empathie zeigt und die Job-Frage zum wichtigsten Thema macht. Vor allem muss er der Öffentlichkeit klarmachen, dass das Billionendefizit im Staatshaushalt eine Folge der Krise und daher unvermeidlich war, dass er jetzt willens und in der Lage ist, das gefährliche Schuldenproblem schnell zu entschärfen.

Die Wirtschaftslage wird nicht einfacher werden für Obama. Alle Daten deuten darauf hin, dass den USA ein Jahrzehnt mit anhaltend niedrigem Wirtschaftswachstum bevorsteht. Eine Volkswirtschaft, die sich an exzessive private und öffentliche Schulden gewöhnt hat, kann nicht über Nacht zur Normalität zurückkehren.

Dabei geht es um viel: Jeder, der sich anstrengt, hat eine Chance zum Aufstieg – das ist die Quintessenz des amerikanischen Traums. Die Amerikaner haben allen Grund, an diesem Traum auch heute festzuhalten – aber sie müssen zu unbequemen Reformen bereit sein: Sie müssen Energie sparen, den Haushalt kürzen, die Steuern erhöhen. Obamas bisheriges Wirtschaftsteam hatte das verstanden, aber sich nicht verständlich machen können. Der Präsident braucht jetzt Berater und Verkäufer.

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