The Obama Paradox

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Eigentlich ist Obama 2012 der vorbestimmte Verlierer, aber…

Stell dir vor, der Sieg ist dein, und du hast keinen, der den Pokal abholt. So geht es den Republikanern ein Jahr vor den Wahlen. Eigentlich müssten sie im nächsten November haushoch gewinnen und Obama aus dem Weißen Haus vertreiben. Aber sie kriegen keinen Kandidaten zustande, der diese niedrig hängende Frucht pflücken könnte.

Zuerst Obama. Zwei klassische Fragen der Meinungsforscher lauten: »Sind Sie zufrieden, wie die Dinge laufen?« und »Ist das Land auf dem richtigen Weg?« Obama kommt in dieser Phase seiner Amtszeit schlechter weg als jeder seiner Vorgänger, inklusive des glücklosen Jimmy Carter. Nur elf Prozent sind zufrieden, nur 20 Prozent sehen das Land auf dem richtigen Weg.

Bei George W. waren es zu diesem Zeitpunkt 44 und 52 Prozent; er hat die Wiederwahl geschafft. Bei Carter waren es 19 und 16 Prozent; er ist gescheitert. Seine Probleme waren Ende der Siebziger praktisch identisch mit denen von Obama heute: eine üble Rezession, hohe Arbeitslosigkeit. Nur den Mühlstein der hohen Inflation hat Obama nicht am Hals, dafür aber zwei Kriege, die verloren gehen.

Ist er also der vorbestimmte Verlierer? Er müsste es nach aller historischen Erfahrung sein, aber diese Prophezeiung bleibt im Konjunktiv. Denn seine persönlichen Werte sind nach wie vor hoch: Zwei Drittel halten ihn für »sympathisch«, 49 Prozent für »ehrlich und offen«. Und die Republikaner suchen noch immer verzweifelt nach einem Kandidaten, der das Weiße Haus für sie erobert.

Vor ein paar Wochen hieß der Hoffnungsträger noch Rick Perry. Der Gouverneur von Texas schoss nach vorn, weil der Frontrunner Mitt Romney so aufregend war wie Griesbrei. Jetzt liegt Perry knapp zehn Punkte hinter Obama; er ist gewogen und für zu leicht befunden worden. Doch Romney begeistert nicht; er schafft gerade mal den Gleichstand mit Obama.

Die Partei begeistert Romney schon gar nicht. Deshalb gewinnt plötzlich ein Pizzakönig namens Herman Cain, der einzige schwarze Kandidat, die Probevorwahl in Florida mit 37 Prozent. Der ganz neue Traumkandidat hieß eine Woche lang Chris Christie, Gouverneur von New Jersey. Der Mann ist ein Schwergewicht in jeder Beziehung (220 Pfund), aber er hat einen großen Makel: Er hat sich am Dienstag trotz einer Welle von Zuspruch, die von Henry Kissinger bis Nancy Reagan reichte, gegen die Kandidatur entschieden.

Christie, ein erfahrener und beliebter Politiker, wäre das richtige Gegenmittel zu Rechtspopulisten wie Perry und Bachman gewesen. Nun ist dieser Traum geplatzt. Heute ist nur eines sicher: dass kein Kandidat Feuer fängt und deshalb ein jeder seine Viertelstunde Ruhm einfahren kann.

Fazit: Obama müsste haushoch verlieren, aber die Republikaner finden keinen Kandidaten, der den Unmut kanalisiert, der Antworten auf die Wirtschaftskrise anbietet und nicht bloß populistische Wundermedizin. Wahrscheinlich wird Mitt Romney das Rennen machen. In diesem Fall bliebe das ganz Große im November 2012 offen, obwohl alle historische Erfahrung »Obama, ade« flüstert.

* Anmerkung der Redaktion: Im Ursprungsartikel, der in der ZEIT erschien, war auch von Sarah Palins möglicher Kandidatur die Rede. Palin gab am Donnerstag bekannt, nicht anzutreten. Daher wurde der Text aktualisiert.

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