Protest und Vereinnahmung
Von Daniel Haufler
28 | 10 | 2011
Die Occupy-Bewegung soll kein Happening sein, auch wenn sie mancherorts an die der Sechziger-Jahre-Hippies erinnert. Sie muss den politischen Kampf aufnehmen.
Auch wenn derzeit in Europa fast jeder Journalist gebannt auf die Anstrengungen zur Euro-Rettung starrt – die Proteste gegen die Banker gehen weltweit weiter. In den USA sind die Politiker in den Kommunen mittlerweile so genervt von den Occupy-Protesten, dass sie die Zeltlager vielerorts räumen lassen. In Oakland spielten sich dabei Szenen ab, die an die gewältigen Auseinandersetzungen während der Anti-Vietnamkriegsdemonstrationen erinnern.
Derweil wird diskutiert, ob die Occupy-Bewegung nicht eigentlich noch lernen muss, was sie will. Slavoj Žižek beobachtet in der Süddeutschen Zeitung mit Sorge, „dass sich die Demonstranten verlieben – in sich selbst und in die schöne Zeit, die sie an den ,belagerten’ Orten verbringen.“ Bei einer Belagerung in San Francisco am vergangenen Sonntag habe sogar jemand versucht, die Menge zum Mitmachen zu animieren, als sei man bei einem Happening von Sechziger-Jahre-Hippies: „Man fragt uns, was unsere Agenda ist. Wir haben keine Agenda. Wir sind hier, um eine gute Zeit zu verbringen.“
Das ist Žižek nun doch zu billig: „Verlieben sollten sich die Demonstranten … in das harte, geduldige Arbeiten – sie stehen erst am Anfang, nicht am Ende.“ Die Linke in der westlichen Welt sei in einer Art Hegel’schem Dreischritt wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurückgekehrt. Nachdem man den Essentialismus des Klassenkampfs „zugunsten einer Vielzahl einzelner Anstrengungen wie dem Antirassismus oder dem Feminismus aufgegeben hatte, hat das Problem nun wieder einen Namen bekommen: ,Kapitalismus’. Die erste Lektion, die es also zu lernen gilt, ist: Schiebt die Schuld nicht auf die Einstellung der Leute. Das Problem sind nicht Korruption und Gier an sich, sondern das System, das einen zur Korruption verleitet“.
Ganz so abstrakt möchte Joseph Kishore die Sache auf der World Socialist Web Site nicht betrachten, zumal nicht nach den Polizeiaktionen in den USA. Durch die zunehmende Unterdrückung würden die fundamentalen politischen Fragen der Bewegung, noch drängender, vor allem die Notwendigkeit eines politischen Kampfes gegen die Obama-Regierung, die Demokratische Partei und den kapitalistischen Staat. Denn: „Obwohl sie Massenverhaftungen durchführen lässt, versuchen die Demokratische Partei und ihre Anhängsel – die Gewerkschaften, verschiedene ,linke’ Organisationen der Mittelschicht und akademische Berühmtheiten – weiterhin, die Proteste zur Unterstützung von Obamas Wahlkampf zu nutzen.“
Die Konsequenz müsse sein, dass sich der Protest zu einer bewusst sozialistischen Bewegung der internationalen Arbeiterklasse entwickele. „Eine Bewegung der Arbeiterklasse muss darauf abzielen, eine Arbeiterregierung zu schaffen.“ Die Socialist Equality Party in den USA und ihre Schwesterparteien auf der ganzen Welt führten diesen Kampf an – ganz gewiss ohne Occupy zu vereinnahmen.
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