Our Biggest Project for the 21st Century

Edited By Philip Lawler

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Unser größtes Projekt im 21. Jahrhundert]

Die USA und Europa verhandeln über ein Freihandelsabkommen. Es würde nicht nur Arbeitsplätze schaffen, sondern den Niedergang des Westens aufhalten. Ein wichtigeres Projekt gibt es derzeit nicht. Von Jacques Schuster

Den Europäern steht derzeit nicht der Sinn nach Pathos, wenn sie an das europäisch-amerikanische Verhältnis denken. Zu tief sitzt der Ärger über die Abhöraktionen der US-Geheimdienste. Auch sonst ist der Schwung in den beiderseitigen Beziehungen erlahmt.

Man gedenkt zwar noch pflichtschuldig der Rosinenbomber, beschwört brav Kennedys vier berühmte Worte, im Grunde aber stammen diese Reden aus dem Phrasenbestand des Kalten Krieges und entbehren jeglicher frischer Idee.

Konkret wird es nur, wenn es um die Vergangenheit geht. Schaut der Redner in die Zukunft, verlieren sich seine Gedanken im Nebel der Ratlosigkeit. Wenn er gezwungen wird, mehr Substanz zu liefern, stöhnt er ob der Zumutung auf wie einer, dessen Sohle in einen Hundehaufen gepatscht ist.

Allgemeine Trübsal

Nüchternheit, Ideenarmut und fehlende Herzenswärme – das sind die Kennzeichen des amerikanisch-europäischen Verhältnisses. Unter der Herrschaft dieser Trübsal ist die Gefahr groß, die derzeitigen Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten als eine spröde Nebensächlichkeit zu betrachten. Sie sind es nicht und sollten es zu keinem Zeitpunkt sein.

Das Ziel einer atlantischen Freihandelszone ist das größte Projekt des Westens im 21. Jahrhundert. Es wird nicht nur Tausende von Arbeitsplätzen dies- und jenseits des Atlantiks schaffen. Sondern es wird den Westen und seine Werte in einer Weise stärken, die selbst Frohnaturen im Zeitalter der multipolaren Welt nicht mehr für möglich gehalten haben.

Machen wir uns nichts vor: Das 21. Jahrhundert droht vor allem deshalb von China beherrscht zu werden, weil sich ein übergewichtiges, hoch verschuldetes Amerika und ein dahinsiechendes Europa, das fast ebenso bedrohlich wie die USA in der Kreide steht, im Niedergang befinden.

Die westliche Sklerose

Zu der Finanz- und Haushaltskrise gesellen sich eine schwindende Wettbewerbsfähigkeit, ein mächtiger werdender Hang zum Schutzzoll und eine Degeneration der Institutionen, die den Aufstieg des Westens begründet und gefördert haben.

Den letztgenannten Missstand müssen die einzelnen Staaten beheben – von der Stärkung der Zivilgesellschaft bis zur Reform des Rechtsstaats. Die Wettbewerbsfähigkeit und die Idee des Freihandels aber lassen sich nur gemeinsam fördern. Noch wird die Hälfte der Weltwirtschaft von Europa und den USA bestimmt. Die Freihandelszone wird diese Stellung stärken und die Sklerose mindern. Der Niedergang des Westens kann noch abgewendet werden. Wir müssen es nur wollen.

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