Das blutige Schachspiel um Syrien
Die Situation in Syrien wird zunehmend instabiler: Während Putin seine neuen Hightechwaffen testet, ziehen sich die USA immer weiter zurück. Dieses Machtvakuum bedroht auch uns Europäer.
Gestern waren Russland und die Vereinigten Staaten noch gemeinsam dabei, die Atomrüstung des Iran unter Kontrolle zu nehmen. Heute führen sie in Syrien Stellvertreterkrieg gegeneinander: Putins Russland, eingedenk der Niederlage in Afghanistan, testet Hightechwaffen im Einsatz und tut alles, um den stark reduzierten Truppen des syrischen Präsidenten Assad die Rebellen wegzubomben.
Die USA wollen genau das Gegenteil erreichen: Assad dem Ansturm der Rebellen überlassen und Irans Einfluss auf die schiitische Achse von Teheran bis Südlibanon zurückdrängen.
Beide Seiten vermeiden es bisher aus innenpolitischen Rücksichten, Kampftruppen nach Syrien zu schicken. Die Russen bauen unterdessen Flugplätze aus, sichern sie militärisch und verstärken in Tartus ihre einzige Marinebasis am Mittelmeer, die auch zum Kernland der Assad-Macht gehört.
USA unterstützen Kurden
Die Amerikaner, die mit der Ausbildung syrischer Rebellen via CIA enttäuschende Erfahrungen machten, weil Waffen und Truppen auf kurzen Umwegen beim IS landeten, stellen jetzt die Hilfe ein und konzentrieren sich auf Material und Ausbildung für die Kurden im nördlichen Irak und nahe der türkischen Grenze – was wiederum in Ankara Misstrauen hervorruft, wo der Einsatz gegen IS als Vorwand für erneuten Krieg gegen die Kurden dient und als politische Mobilisierung im gegenwärtigen Wahlkampf.
Europas Flüchtlingsdrama ist Ergebnis dieses vieldimensionalen Schachspiels, dessen Ende erst naht, wenn die Nachbarn – Saudi-Arabien und Iran nicht mehr können, der letzte Syrer nach Europa geflohen ist und die Weltmächte einander nuklear bedrohen. Die Nebeneffekte sind kaum weniger ernst: Der Stern der eben noch mächtig erscheinenden Kanzlerin sinkt; ihr Krisenmanagement versagt.
Die europäischen Nachbarn erleben den Zusammenbruch des Schengensystems und die Impotenz der Brüsseler Bürokratie. Unterdessen kann Putin die Lage weiter destabilisieren. Und bei alldem fehlt es schmerzhaft an amerikanischer Führung, so als sei der US-Wahlkampf genug Entschuldigung, den Nahen Osten und das Gleichgewicht der Mächte zu vergessen. Von der Sicherheit Europas ganz zu schweigen.
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