A Meeting of Sycophants

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Ein Treffen der Schmeichler

Von Martin Klingst

8.6.2011

Mit Kanzlerin Merkel und Präsident Obama trafen in der US-Hauptstadt zwei Menschen mit Außenseiter-Biografien aufeinander. Das verbindet beide. Von M. Klingst, Washington

Große Neuigkeiten oder weltbewegende Beschlüsse waren von Angela Merkels Staatsbesuch in Amerika nicht zu erwarten. Der besondere Wert dieser besonderen Visite lag wohl vor allem in dem ungezwungenen Plauderton, der Unverkrampftheit und der mitunter fast freundschaftlichen Flapsigkeit zwischen Bundeskanzlerin und Präsidenten: Du Angela! Du Barack!

Beide tun sich grundsätzlich schwer damit, politische Freundschaften zu schließen. Begegnungen unter Staatsleuten sind für die beiden Rationalisten in erster Linie interessengelenkte Geschäftstreffen. Man nimmt sich auch kaum in den Arm und tauscht Küsschen aus. Vor allem Merkel wirkt immer noch, als habe sie einen Stock verschluckt. Doch gemessen an früheren Zeiten geht es heute entschieden lockerer zwischen den beiden zu.

Als Obama gefragt wurde, ob er nach Baden-Baden, Dresden und Buchenwald auch demnächst Berlin als Präsident besuchen würde, lächelte er und sagte: “Ich war doch schon da. Berlin macht immer Spaß!” Übersetzt hieß das: Mit aller Wahrscheinlichkeit kein Gegenbesuch vor der Präsidentschaftswahl im November 2012. Bis dahin hat er keine Zeit für Spaß. Aber sehr gerne danach, sollten ihm die Amerikaner eine zweite Amtszeit bescheren.

Merkel grinste und konnte sich nicht verkneifen, zu bemerken: “Ich verspreche, das Brandenburger Tor steht noch eine ganze Weile.” Kanzlerin und Präsident lachten herzlich, auch wenn die meisten amerikanischen Journalisten im Raum diesen Witz nicht verstanden. Kaum einer von ihnen erinnert sich noch daran, dass der Wahlkämpfer Obama 2008 seine Berliner Rede am liebsten direkt vor dem Brandenburger Tor gehalten hätte. Doch Merkel war damals von dieser Idee nicht entzückt.

Ansonsten überhäufte man sich mit gegenseitigen Komplimenten und hüllte selbst die Unstimmigkeiten in lauter Freundlichkeiten. Herr Präsident, sind Sie enttäuscht über Deutschlands Enthaltung im UN-Sicherheitsrat zur Flugverbotszone über Libyen? Von wegen. Obama lobte die Bundesrepublik für ihr verstärktes Engagement in Afghanistan. Es entlaste die Alliierten und gebe ihnen mehr Freiraum für den Kampf gegen Libyens Machthaber Gadhafi. Frau Bundeskanzlerin, sollte das hoch verschuldete Amerika mehr sparen? Jedes Land müsse seinen eigenen Weg gehen, sagte Merkel.

Nur unterschwellig waren die Differenzen zu spüren. Etwa als Obama meinte, er erhoffe sich gerade von Deutschland tatkräftige Unterstützung beim Aufbau Libyens, sollte Gadhafi endlich besiegt sein.

Ansonsten suchte man in fast allen großen Fragen den deutsch-amerikanischen Schulterschluss: Großzügige Hilfe für die nach Freiheit strebenden Staaten Nordafrikas und des Mittleren Ostens. Keine Unterstützung für die einseitige Erklärung eines unabhängigen palästinensischen Staates. Kein vorzeitiger Abzug deutscher Truppen aus Afghanistan, sondern nur gemeinsam und Schritt für Schritt mit Amerika.

Der Staatsbesuch in Washington demonstrierte, was sich damals bei ihrem ersten längeren Gespräch im Frühjahr 2009 beim Abendessen im Amtssitz des britischen Premierministers abzeichnete: Beide sehen sich als Staatsführer mit Außenseiter-Biografien. Das verbindet. Das betonten sie auch diesmal wieder.

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