A Treat for the Tea Party

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Ein Leckerbissen für die Tea-Party-Bewegung

Von Markus Ziener

13.08.2012

Mit der Entscheidung für Paul Ryan als Vizepräsidenten will Präsidentschaftskandidat Mitt Romney die Rechten für sich gewinnen. Eine Rolle die einst Sarah Palin inne hatte. Doch vor Ryan muss Obama sich mehr fürchten.

Riskant, überraschend, mutig: Das alles ist die Wahl von Paul Ryan als Mitt Romneys Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten. Aber sie ist auch: ein Akt der Not. Denn stünden Romneys Chancen auf einen Wahlsieg im Herbst gegen Barack Obama besser – in den Umfragen liegt er klar hinten -, er hätte auf die sichere Karte gesetzt.

Mit der Entscheidung für Ryan aber versucht er das, was John McCain vier Jahre zuvor mit der Wahl Sarah Palins tat: Der Republikaner holt einen Kandidaten auf sein Ticket, der die Dynamik des Wahlkampfs verändern soll. Wie Palin, seinerzeit Gouverneurin von Alaska, ist auch der 42-jährige Paul Ryan ein Politiker, an dem sich die Geister scheiden. Palin wird bis heute verehrt oder verachtet. Bei Ryan ist es nur unwesentlich anders: Den einen gilt er als rechtskonservativer Fiskalideologe, den anderen als couragierter Kämpfer gegen den Schuldenstaat. In der politischen Mitte ist für beide kaum Platz.

Das strategische Kalkül für Romney liegt auf der Hand. Er, selbst ein Zauderer, Zögerer und notorischer Opportunist, ist beim konservativen Flügel seiner Partei als Liberaler verschrien. Seit seiner Amtszeit als Gouverneur von Massachusetts, als er dort eine Gesundheitsreform in die Wege geleitet hat, die der von Obama auffällig ähnelt, leidet Romney bei der republikanischen Basis unter Glaubwürdigkeitsverlust.

Daran haben auch Romneys wiederholte Beteuerungen, im Falle eines Sieges bei der Präsidentschaftswahl Obamas Gesundheitsreform rückgängig zu machen, wenig geändert. Mit Ryan, der die Unterstützung der Tea-Party im Rücken hat, soll dieses Defizit zumindest ausgeglichen werden. Denn es ist kaum vorstellbar, dass Ryan sein politisches Kapital verspielt, indem er seinen Namen für faule Kompromisse hergibt.

Mit dem Abgeordneten aus Wisconsin hat Romney gleichzeitig aber auch die wirtschaftspolitischen Trennlinien zwischen sich und Obama klar gezogen. Ryan, Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Repräsentantenhaus, hatte in den vergangenen Jahren mehrfach radikale Pläne zum Schuldenabbau vorgelegt. Kernpunkt ist die schrittweise Abschaffung der staatlichen Krankenkasse Medicare. Die Versicherung, die alle Rentner in den USA in Anspruch nehmen können, gilt als einer der Hauptverursacher für das amerikanische Budgetdefizit.

Ersetzt werden soll Medicare durch ein Gutscheinsystem, das die Höhe der Inanspruchnahme von Leistungen begrenzt. Parallel plädiert Ryan für drastische Steuersenkungen, sei es bei der Einkommensteuer, der Steuer auf Kapitalerträge oder bei den Unternehmensteuern.

Sie wirken wie Vater und Sohn

Der sogenannte „Ryan-Plan” löste eine massive öffentliche Debatte aus. Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman warf dem Republikaner vor, er wolle das Schuldenproblem auf dem Rücken der kleinen Leute austragen und die Reichen schonen.

Obama nutzte Ryans Blaupause als Beleg dafür, dass die Konservativen weiterhin auf den „Trickle-Down-Effekt” setzten, also darauf hofften, dass Steuererleichterungen für die Besserverdienenden irgendwann auch bei den Schichten darunter ankämen. Und selbst Newt Gingrich, der sich vor Monaten noch selbst um das republikanische Präsidentschaftsticket bewarb, kritisierte Ryans Absichten als “rechte Eingriffe in das Sozialsystem”.

Die Tea-Party indes jubelt seither über Ryan, der dazu noch entwaffnend jung und charismatisch wirkt. Denn auch das fehlt dem zumeist hölzernen Romney, der bei öffentlichen Auftritten oft uninspiriert, bieder und gelegentlich taktlos agiert. Ryan soll Frische in das Wahlkampfteam bringen. An dieser Flanke droht Obama mit Romneys Entscheidung für Paul Ryan die größte Gefahr. Ryan könnte Obamas Monopol auf jugendliche Ausstrahlung sprengen. Dazu müsste sich Ryan von Romney emanzipieren. Denn noch wirkt das neue Duo wie ein Vater-Sohn-Gespann.

Romney muss mit seinem Vizekandidaten hoffen, dass am 6. November auch jene Republikaner zur Wahl gehen, die ihm bisher nicht trauten. Auch darf er annehmen, dass Ryan im Falle eines Wahlsiegs dafür sorgen wird, dass dem neuen Präsidenten der Tea-Party-Flügel im Kongress nicht von der Fahne geht.

Aufgegeben hat er dafür einen Teil der politischen Mitte. Denn jene moderaten Amerikaner, die mit Obama unzufrieden sind und in dem weichgespülten Romney eine Alternative sahen, dürfte Ryan verschrecken. Ryan schwebt eine Gesellschaft vor, in der der Staat auf die Rolle eines besseren Nachtwächters reduziert wird. Obama und die Demokraten stehen dagegen für einen starken Staat, der von oben für Gerechtigkeit sorgt. So bringt Romneys Entscheidung zumindest eines: dem Wähler eine klare Alternative.

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