Der Präsident der USA nutzt die letzten Monate seiner Amtszeit, um internationale Verantwortung zu zeigen. Bei den Klimazielen, aber auch bei den Konflikten mit Iran und Kuba. Er trägt dazu bei, den auch in Deutschland wiedererwachenden blinden Antiamerikanismus einzuhegen.
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Hello again, Barack Obama! Schön, dass Sie wieder da sind. Gewiss, der Präsident der Vereinigten Staaten regiert das Land seit über sechs Jahren. Aber erst jetzt zeigt sich wieder jener Obama, der 2008 auf einer Woge der Begeisterung und Hoffnung in den USA und in vielen Ländern der Welt in das Weiße Haus gelangt war. Der aber mit einem solchen Übermaß an Erwartungen befrachtet wurde, dass er angesichts des von George W. Bush hinterlassenen Erbes vom erhofften Messias sehr schnell zu einem mit dem Alltag ringenden Normalpolitiker schrumpfte.
Diese Phase hat Barack Obama überwunden. Er hat jetzt nichts mehr zu verlieren – zum Beispiel einen weiteren Wahlkampf. Er muss keine Rücksicht mehr nehmen auf die ignorante Blockade-Mehrheit der Republikaner im Kongress und mit ihnen um demütigende Kompromisse ringen. Er kann nur noch gewinnen, und das hat er offenbar vor.
Anders als andere Präsidenten in der letzten Phase ihrer Amtszeit beugt er sich nicht über seine Memoiren, sondern greift noch einmal kraftvoll in das politische Geschehen ein. Plötzlich haben seine alten Parolen wieder einen neuen Klang: Yes we can und Change we can believe in – Ja, wir können es schaffen, wir glauben an den Wandel.
Obama wird von seinen ehrgeizigen klimapolitischen Zielen, dem Umbau der amerikanischen Energiewirtschaft, nicht mehr viel selber durchsetzen können. Doch er platziert das Thema auf der politischen Agenda, auch der des Wahlkampfes im kommenden Jahr. Er beginnt gegen schärfsten politischen Widerstand mit dem Kurswechsel, den ein republikanischer Nachfolger erst wieder revidieren müsste, gegen den gesunden Menschenverstand und eine widersprechende internationale Öffentlichkeit. Einem demokratischen Nachfolger aber ebnet er den Weg, diesen Kurs fortzusetzen.
Politische Kultur in erbärmlichem Zustand
Sechs Jahre haben nicht gereicht, das Land wirklich zu verändern, wer hätte das auch ernsthaft glauben können. Die USA sind politisch tiefer gespalten denn je, die politische Kultur ist angesichts solcher Kandidaten wie Donald Trump in einem erbärmlichen Zustand. Und doch hat sich die gesellschaftliche Debatte verändert, es gibt Fortschritte, wie zuletzt der Kampf um die Südstaatenflagge gezeigt hat. Dieses über hundert Jahre alte Symbol der Rassisten ist kein unantastbares Heiligtum mehr, seine schändliche Rolle ist entlarvt.
Auch das ist ein Verdienst Barack Obamas, der nach dem Massaker eines weißen Rechtsextremisten an neun schwarzen Kirchgängern in Charleston in einer ebenso bewegenden wie mitreißenden Rede den Rassismus so klar wie nie zuvor als ein Krebsgeschwür der amerikanische Gesellschaft verdammt hat. Das waren Worte, auf die vor allem seine schwarzen Wähler so lange vergeblich gehofft hatten.
Auch hier zeigte sich Obama wie befreit von Ängsten und taktischen Zwängen, nicht als ein Präsident der Schwarzen, sondern aller US-Bürger wahrgenommen zu werden. Dabei waren seine Worte die eines jeden aufrechten demokratisch und human gesonnenen Bürgers und wurden auch so verstanden. Die Bilder des mit den Trauernden „Amazing Grace“ singenden Präsidenten werden für immer Teil seiner Geschichte, seines Vermächtnisses bleiben. Es sind Bilder eines politischen Führers, der seine Verantwortung nicht nur in der Tagespolitik und dem Wohlergehen seiner Partei sieht, sondern der in der Lage ist, einer zutiefst verletzten Gesellschaft Trost und Hoffnung zu vermitteln.
Wiedererwachender blinder Antiamerikanismus
Es sind aber auch Bilder, die über die USA hinaus Wirkung entfalten. Sie helfen, ihr weltweites Ansehen zu korrigieren. Gewiss, dies ist weiter der Präsident des fragwürdigen TTIP-Abkommens, der grenzenlos spionierenden NSA, des Drohnenkriegs. Niemand kann erwarten, dass der Präsident der kapitalistischen Weltmacht USA zu einem pazifistischen Sozialromantiker mutiert. In Barack Obama ist aber auch ein Führer zu erkennen, der die letzten Monate seiner Amtszeit dazu nutzt, internationale Verantwortung zu zeigen, die seinem Vorgänger vollkommen fremd war.
Das gilt insbesondere für seinen Klimaschutzplan, der eine bedeutende Rolle für den Erfolg der Weltklimakonferenz im Herbst spielen wird. Das gilt aber auch für die Entschärfung solcher Jahrzehnte die internationalen Beziehungen belastender Konflikte wie mit dem Iran und mit Kuba.
Er trägt dazu bei, den auch in Deutschland wiedererwachenden blinden Antiamerikanismus einzuhegen, der ausblendet, welch große Rolle die USA beim Kampf um Frieden, Freiheit und Demokratie eben auch immer wieder spielen. Wie gut, dass Barack Obama sich daran wieder erinnert hat. Und wie gut, dass er immerhin noch eineinhalb Jahre Zeit hat.
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