Clinton Looks for Her Joe Biden

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• Clinton sucht jemanden, der ihr neue Wählersegmente erschließt – in ihrem Fall also jemand, der junge Wähler erreicht.

• Als Bilderbuchkandidat schlechthin gilt der amtierende Vizepräsident Joe Biden, dessen Beliebtheit ungebrochen ist.

• In den Medien kursieren drei Namen: Städtebauminister Julián Castro, Tim Kaine, Senator aus Virginia, und Elizabeth Warren, Senatorin aus Massachusetts.

Hillary Clinton bleibt noch ein Monat Zeit. Spätestens am Parteitag der US-Demokraten Ende Juli wird sie ihren Vizepräsidentschaftskandidaten präsentieren. Offiziell heißt es, Clinton wolle jemanden, der vom ersten Tag an für dieses Amt bereit sei und sich auch persönlich mit ihr verstehe. Viel wichtiger aber ist für Clinton etwas anderes: Sie sucht jemanden, der ihr neue Wählersegmente erschließt – in ihrem Fall also jemand, der junge Wähler erreicht. Die Vorwahlen haben ihre Schwächen bei den sogenannten Millenials offenbart, die ihre Stimme meist ihrem Herausforderer Bernie Sanders gaben. Clinton war vor allem erfolgreich bei Afroamerikanern, Latinos und älteren, gut ausgebildeten Wählern.

Vizepräsidenten müssen zwei Voraussetzungen erfüllen, so lautet eines der ungeschriebenen Gesetze in Washington: Sie müssen loyal sein und dabei helfen, die Wahl zu gewinnen. “Vor allem aber dürfen sie dir nicht schaden”, sagte neulich Wahlkampfexperte David Axelrod auf CNN – so wie Sarah Palin 2008 John McCains Glaubwürdigkeit geschadet habe.

Als Bilderbuchkandidat schlechthin gilt der amtierende Vizepräsident Joe Biden, dessen Beliebtheit ungebrochen ist und der bei der Wiederwahl Barack Obamas 2012 seinem etwas ermüdeten Chef unter die Arme griff. Es erstaunt nicht, dass Clinton unlängst auf die Frage, welchen Vizepräsidenten in der amerikanischen Geschichte sie besonders schätze, antwortete: “Ein Vizepräsident muss das Land verstehen. Jemand wie Joe Biden.”

Kein Tag vergeht ohne neue Spekulation über Clintons “neuen Biden”. Verschiedenen Medienberichten zufolge stehen drei Namen offenbar ganz oben auf Clintons Liste: Julián Castro, 41, ehemaliger Bürgermeister von San Antonio, der 2014 von Präsident Obama zum Städtebauminister ernannt wurde. Castro gilt seit Jahren als Zukunftshoffnung der Demokraten. Er hielt eine der Hauptreden am Parteitag 2012, ist jung und könnte Clintons Popularität bei Latinos stärken, einer wichtigen Bevölkerungsgruppe insbesondere im “Swing State” Florida.

Die Demokraten sehnen sich nach einem Anti-Establishment-Kandidaten

Der zweite mögliche Kandidat ist Tim Kaine, 58, Senator aus Virginia, einem weiteren “Swing State”. Kaine war schon Gouverneur seines Staates und davor Bürgermeister von Richmond. Seine Erfahrung, auch in außenpolitischen Themen, wäre in anderen Jahren ein Vorteil, doch der Aufstieg von Bernie Sanders hat gezeigt, wie sehr sich auch die Demokraten nach einem Anti-Establishment-Kandidaten sehnen.

Elizabeth Warren, 67, Senatorin aus Massachusetts, ist Nummer drei. Fiele die Wahl auf sie, würde das eine Welle der Euphorie auslösen, darin sind sich viele einig – und es könnte die historische Bedeutung der ersten weiblichen Präsidentin Clinton zusätzlich unterstreichen. Seit Jahren kritisiert Warren die “Abzocker an der Wallstreet”, sie gilt als Superstar der Linken. Als sie 2012 Senatorin wurde, hat sie viele Arbeiter- und Mittelschichtsfamilien, die traditionell republikanisch stimmten, auf ihre Seite geholt. Seit Wochen befindet sie sich außerdem in einer Fehde mit Donald Trump, dem republikanischen Rivalen, mit dem sie öffentlich in den sozialen Medien streitet, was ihr viel Popularität unter jungen Wählern einbrachte.

Ungeachtet der erfolgreichen Wochen, die Hillary Clinton hinter sich hat, geht es bei der Wahl des Vizepräsidentschaftskandidaten nicht zuletzt darum, die Partei hinter sich zu vereinen. Denn auch dies ist eine Wahlkampf-Regel: Wer die Partei hinter sich weiß, gewinnt. Clintons Umfragewerte sind zwar wieder gestiegen, sie lässt Trump in wichtigen Swing States wie Florida deutlich hinter sich, doch sie ist auf die linke Basis angewiesen. Insbesondere dieser Punkt spricht für Warren. Sanders-Wähler, so zeigen Umfragen, könnten gut mit ihr leben.

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