Handel mit Daten und der fragwürdige Umgang damit waren schon immer Markenzeichen Zuckerbergs. Die Politik schaut schon viel zu lange zu.
Mark Zuckerberg hat sein Schweigen gebrochen. Er hat um Verzeihung gebeten und Besserung versprochen. Er hat damit das Unvermeidliche getan, denn angesichts wütender Politiker und übel gelaunter Investoren blieb ihm kaum noch eine Wahl. Auch einer der mächtigsten Unternehmer der Welt muss sich irgendwann seiner gesellschaftlichen Verantwortung stellen, insbesondere, wenn er für sich beansprucht, diese Gesellschaft maßgeblich zu gestalten.
Diesen Anspruch hat Zuckerberg vor gut einem Jahr unterstrichen, als er in Reaktion auf Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten, den Brexit und die sprießende Fremdenfeindlichkeit darüber ins Grübeln geriet, ob sein Netzwerk eigentlich mehr Gutes als Böses schaffe. In einem Manifest trug er vor, wie er Facebook umzubauen gedenke, damit es eine offene und solidarische Gesellschaft fördere. Er signalisierte, erkannt zu haben, dass in seinem Netzwerk einiges schieflaufe.
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg gelobt Besserung. Aber wie glaubwürdig ist das?
Wer aber in den Monaten danach die Vertreter seiner Firma etwa bei Anhörungen im US-Senat beobachtete, bekam den Eindruck, dass man kein Interesse hatte, die Rolle von Facebook im US-Wahlkampf aufzuklären. Derweil jettete Zuckerbergs oberste Mitarbeiterin, Sheryl Sandberg, um den Globus und pries, so bei einem Auftritt in Köln, die schöne, heile Facebook-Welt.
Mit dieser heilen Welt ist es vorbei. Seit bekannt wurde, dass die Daten von 50 Millionen Nutzern zweckentfremdet wurden, steht Facebook im Feuer. Zunächst versuchte sich das Unternehmen als Opfer darzustellen, doch das ist es nicht. Der Vorfall zeugt vielmehr von der Geringschätzung des Datenschutzes, der Privatsphäre, die Zuckerberg früher offen zur Schau gestellt hat.
Die Daten sind Facebook nämlich nicht einfach geklaut worden. Vielmehr hat das Unternehmen bis 2015 zugelassen, dass Entwickler von Facebook-Spielen nicht nur die Daten der Nutzer der Spiele sammeln konnten, sondern auch die der Freunde dieser Spieler. Zwar waren damit Regeln verbunden, doch dass diese eines Tages gebrochen würden, davon musste man ausgehen.
Es passt, dass sich mit Cambridge Analytica eine Firma versündigte, die für Donald Trump arbeitete, einen Mann, der sein ganzes Leben lang schmutzige Geschäfte gemacht hat. Cambridge Analytica erwarb Daten, die von einer App gesammelt wurden, die unter dem Deckmantel der Wissenschaft Nutzer psychologische Fragen beantworten ließ. Diese Daten wurden mit weiteren Daten kombiniert, um Menschen mit individuellen Botschaften auf einer psychologischen Ebene so zielgenau wie möglich anzusprechen.
Das Umfeld von Cambridge Analytica
Man habe die „inneren Dämonen“ der Menschen wecken wollen, heißt es aus dem Umfeld von Cambridge Analytica. So sprechen sie dort gerne. Denn das angeblich Geheimnisvolle, Unheimliche schürt den Mythos der Firma, die für sich reklamiert, mit scheinbar magischen Methoden den US-Wahlkampf zugunsten von Trump entschieden zu haben.
Tatsächlich nutzen selbst Hunde- und Katzenfutterhersteller sehr erfolgreich psychografisches Targeting, um mit individualisierten Botschaften die Herzen der Haustierbesitzer zu erreichen. Und das ist gar nicht so neu. Schon immer hat ein Verkäufer, der die Bedürfnisse seiner Kunden genau kannte und sie anzusprechen wusste, erfolgreichere Geschäfte gemacht.
Nun wird dieses Prinzip mit Hilfe von Daten in die Internetwerbung übertragen. Facebook ist das Werkzeug dazu. Es sammelt Daten, es verkauft Daten. Und es hält die Nutzer bei der Stange, damit sie mehr Daten abliefern und mehr Werbung konsumieren. Das ist die Facebook-Kultur. Und es hätte keinen Skandal gebraucht, um das zu erkennen.
Fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens
Der Datenschutz kennt vier Grundprinzipien: Es sollen so wenige Daten wie möglich erhoben werden, die Betroffenen müssen wissen, welche Daten gesammelt werden und ihre Einwilligung erteilen und der Verwendungszweck muss klar sein. Es ist offensichtlich, dass dieser Geist des Datenschutzes von Facebook missachtet wird. Und die Politik hat zugeschaut.
Wer jetzt argumentiert, die Nutzer seien freiwillig auf Facebook, macht es sich zu leicht. Das Netzwerk ist ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens geworden. Geburtstagseinladungen und Nachrichten werden über das Netz verbreitet, Hilfegruppen und soziale Bewegungen organisieren sich auf Facebook und schließlich kommunizieren dort auch Familienmitglieder, Freunde, Verwandte und Bekannte.
Diese Realität muss die Politik zur Kenntnis nehmen. Aus ihr erwächst die Verantwortung, die Bürger nicht der Willkür eines Konzerns auszusetzen, der nach Belieben entscheidet, welche Fotos auf seiner Website zensiert werden und welche nicht, welche Daten gespeichert werden und welche nicht, welche sozialen Aktivitäten gefördert werden und welche nicht. Vielmehr muss gelten: Wer in Deutschland Geschäfte machen will, muss sich an deutsche Gesetze halten. Und solange die Bundesregierung und die Bundestagsabgeordneten nur zuschauen, machen sie sich an jedem Skandal mitschuldig.
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