China könnte Amerika bald überflügeln. Trump sollte nicht mit Wut reagieren, sondern die Herausforderung annehmen.
Ginge es doch nur um den Handel! Es steht aber mehr auf dem Spiel im Streit zwischen Amerika und China. Es geht um die Furcht der bisher führenden Industrienation, die Vormacht in der Weltwirtschaft an den ehrgeizigsten und aggressivsten Konkurrenten zu verlieren.
Der Handelskonflikt allein zerrt schon genug an den Nerven. Für 505 Milliarden Dollar hat China im vergangenen Jahr in die USA exportiert, aber nur für 130 Milliarden Dollar aus den USA importiert. Macht auf amerikanischer Seite ein Defizit von 375 Milliarden Dollar. Eine wahrlich gigantische Summe.
Und eine gigantische Blamage. Hat Amerika den Chinesen so wenig zu bieten? Keine Autos, Maschinen oder medizinischen Geräte, die sie locken könnten? Ist es nicht trostlos, dass Sojabohnen das wichtigste Exportgut sind?
Die Wut des Donald Trump – verständlich ist sie schon. In drei Punkten hat er mit seiner Kritik recht. Seit Jahren klagen westliche Unternehmen über den Diebstahl geistigen Eigentums, Chinas Industriespionage aber geht unverändert weiter. Nichts geändert hat sich auch beim erzwungenen Technologietransfer: Wer in China investieren will, muss sein Wissen teilen. Und schließlich kaufen chinesische Unternehmen gezielt strategisch wichtige Firmen im Ausland auf, mit billigen Krediten der Staatsbanken.
Amerika steht eine traumatische Zäsur bevor. Der Wachwechsel wird spürbar
Gegen diesen brachialen Staatskapitalismus wehren sich die Amerikaner berechtigtermaßen. Auch die Europäer haben begriffen, dass sie ihre Schlüsselindustrien vor chinesischen Investoren schützen müssen, hinter denen in den meisten Fällen der Staat steht – und damit die Kommunistische Partei Chinas, die von der Marktwirtschaft eine andere Vorstellung hat als der Westen.
Deshalb ist dies nicht nur ein wirtschaftlicher Streit. Es geht um politische Macht. Heute werden die Weichen dafür gestellt, wer als Erster den Zugriff auf die Schlüsseltechnologien der Zukunft hat: die westlichen Demokratien oder das autoritär regierte China? “Tech Cold War” lautet der Begriff dafür, Kalter Krieg um die Technik.
Wer kennt hierzulande schon die Namen der chinesischen Online-Giganten Alibaba, Tencent, WeChat oder Baidu? Aber sie sind die Einzigen, die Amerikas Technologie-Riesen Apple, Google, Amazon oder Facebook Paroli bieten können.
Bei der künstlichen Intelligenz (KI) könnte China schon in wenigen Jahren die USA überflügeln. Mehr als 800 Millionen Chinesen nutzen das Netz und stellen damit massenhaft jene Daten zur Verfügung, die KI-Firmen brauchen – für das autonome Fahren, für den Einsatz von Drohnen, für die Gesichtserkennung.
Und glaube niemand, dass sich ein chinesischer Mark Zuckerberg vor dem Nationalen Volkskongress für den Missbrauch von Daten rechtfertigen müsste! Das Regime selbst missbraucht ständig Daten. Millionen von Kameras überwachen die Bürger auf Schritt und Tritt. Bei der Gesichtserkennung müssen chinesische Firmen keine Konkurrenz mehr fürchten.
Irgendwann um das Jahr 2030 wird China die größte Volkswirtschaft der Welt sein. Aus chinesischer Sicht ist dies nichts anderes als die Rückkehr zur historischen Normalität, war das Land doch bis Ende des 18. Jahrhunderts die führende Wirtschaftsmacht. Aber für Amerika wird es eine traumatische Zäsur sein. Die Vorbeben dieses Wachwechsels sind nun zu spüren.
Der Protektionismus, mit dem sich Donald Trump gegen den Wandel sträubt, ist dabei genau die falsche Antwort. Ein Amerika, das sich abschottet, höhlt seine Wettbewerbsfähigkeit weiter aus. Es hat doch Stärken, auf die es bauen kann, seine innovativen Firmen und seine Universitäten, die besten der Welt. 350.000 Chinesen studieren dort – und kehren mit der Erfahrung offener, freier Debatten nach Hause zurück.
Amerika sollte Chinas Aufstieg als Herausforderung begreifen, nicht als Bedrohung. Viele westliche Unternehmen verdienen heute in der Volksrepublik mehr Geld als zu Hause. Seit der Öffnung Chinas 1978 ist das Bruttoinlandsprodukt um das Achtzigfache gewachsen! Und das nicht, weil das Land alle anderen übervorteilt hätte, sondern weil es sich auf den Weltmarkt wagte, den der Westen geschaffen hat.
China spielt oft nicht nach den Regeln. An die muss es sich aber halten, der Rüpel Trump könnte für Druck sorgen. Die Zukunft gewinnt Amerika jedoch nicht, wenn es sich mit Sojabohnen gegen Supercomputer behaupten muss. Das spürt es. Daher die Angst und der Zorn.
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