Friede dem Kriegsherrn
Von Dietmar Ostermann
10.12.2009
Vielleicht verdienen ihn andere mehr”, hat Barack Obama in Oslo gesagt. Das sollte an Demut reichen, um die müßige Debatte zu beenden, ob dieser Präsident der USA nach nicht mal einem Jahr im Amt den Friedensnobelpreis 2009 nun verdient habe oder nicht. Natürlich hätte es andere, mindestens ebenso würdige Preisträger geben können. Aber das ist häufig so. Und es war nicht Obamas Entscheidung, dass das Nobelkomitee am 9. Oktober seinen Namen in die Welt rief. Der Mann im Weißen Haus schien damals so überrascht wie viele. Was hätte er tun sollen? Ablehnen?
Die spannendere Frage war seit jenem 9. Oktober immer, was Obama daraus macht. Kann er den hohen Hoffnungen, die ja der eigentliche Grund für diese Ehrung sind – und die nun wegen ihr umso mehr auf ihm lasten -, gerecht werden? Kann er sich den Friedensnobelpreis gleichsam ex post verdienen? In der Begründung hatte das Nobelkomitee Obamas “außergewöhnlichen Einsatz zur Stärkung der internationalen Diplomatie und der Zusammenarbeit zwischen den Völkern” gelobt. Herausgestrichen wurde seine Vision einer Welt ohne Atomwaffen. Die Botschaft war klar: Die Auguren in Oslo wünschen sich einen Friedenspräsidenten.
Insofern ist die Rede mehr als bemerkenswert, mit der Obama am Donnerstag die Ehrung entgegennahm. Der Friedensnobelpreisträger 2009 kam als bekennender Kriegspräsident. Als Oberkommandierender einer Streitmacht, die in fremden Ländern zwei Kriege führt. Als einer, der sich mit der Entscheidung gequält haben mag, der sich nun aber zu seiner Verantwortung bekennt, soeben 30000 weitere Soldaten in die Schlacht befohlen zu haben. Diesen Widerspruch aufzulösen, war das Thema dieser Rede. Die steifen Mienen und der eher seltene Applaus im Rathaus zu Oslo mögen ein Hinweis sein, dass mancher eine andere Rede erwartet hatte. Diesmal aber wollte Obama keine Hoffnungen wecken. Er wollte Erwartungen dämpfen und erklären, warum er hier und heute Krieg führt für den Frieden.
Es war eine nachdenkliche, vermutlich sehr ehrliche Rede. Eine, die Einblicke in die Weltsicht und das Denken des Barack Obama erlaubt. Es kommt jedenfalls nicht oft vor, dass ein Präsident der Vereinigten Staaten so offen mit der Frage ringt, was gerechte Kriege sein können bei der Suche nach einem gerechten, dauerhaften Frieden. Wann Gewalt richtig, ja notwendig ist. “Wir müssen die harte Wahrheit anerkennen, dass wir während unseres Lebens gewaltsame Konflikte nicht ausmerzen werden.” Das sind ungewohnte Worte für einen Friedensnobelpreisträger. Krieg ist manchmal notwendig, sagt Obama. Ein Gandhi oder Martin Luther King können sich der Gewaltfreiheit verschreiben. Ein Präsident der USA, so sieht es Obama, spielt eine andere Rolle. “Ich stelle mich der Welt, wie sie ist”, sagt er.
Nun wäre naiv, wer Obama je unter Pazifismusverdacht gestellt haben sollte. Schon in seiner Rede gegen den drohenden US-Einmarsch in den Irak im Oktober 2002 bekannte der damals noch weithin unbekannte Illinois-Senator: “Ich bin nicht gegen alle Kriege, nur gegen dumme Kriege.” Der düstere Tenor von Oslo deutet darauf hin, dass die bleischwere Konsequenz solcher Sätze auch Obama erst jetzt bewusst wird, wo er selbst Kriegsherr ist. Es ehrt ihn, den Friedensnobelpreis nicht einfach mit einer Wohlfühlrede entgegengenommen zu haben.
Zur Frage aber, wie er den Nobel-Vorschusslorbeer in den verbleibenden drei Jahren seiner Amtszeit zu rechtfertigen gedenkt, hat er erstaunlich wenig gesagt. Da war viel Theorie über das Führen gerechter Kriege und wenig Konkretes zum Friedenmachen, dazu, wie genau die “Alternativen zur Gewalt” aussehen können, die es zu entwickeln gelte. In der Praxis blieb die Obamasche Außenpolitik bislang oft in Widersprüchen gefangen. Einer grandiosen Rede zur Versöhnung mit der muslimischen Welt in Kairo folgte eine verstörende Zickzack-Politik im Nahostkonflikt, die viel Glaubwürdigkeit verspielt hat. Folter ist verboten, Guantánamo nicht. Gegenüber Peking und Teheran ist von Menschenrechten kaum noch die Rede. Die Anti-Landminen-Konvention hat auch Obama nicht unterzeichnet, obwohl sich mit diesen grausamen Waffen gewiss keine gerechten Kriege führen lassen. Da bleibt viel Arbeit für den Friedensnobelpreisträger. Denn auch Obama kann nicht wollen, dass man ihn vor allem an seinen Kriegen misst, wie gerecht er sie auch immer empfinden mag.
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