Obsessing over Benghazi-Gate

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Besessen von Bengasi-Gate

Von Matthias Kolb

10. Mai 2013

Ist Bengasi ein Skandal wie Watergate oder die Folge individueller Fehler? Das konservative Amerika ist besessen von der Frage, wieso im September 2012 vier Amerikaner in Libyen starben. Die jüngste Anhörung war geprägt von Angriffen auf Hillary Clinton, die aussichtsreichste Präsidentschaftskandidatin 2016. Die Republikaner treibt eine Mischung aus Wut und Kalkül.

Das Getöse war enorm. Die Tageszeitung USA Today versprach den “Showdown zu Bengasi”, im konservativen Kabelsender Fox News raunten Moderatoren und republikanische Abgeordnete tagelang von schockierenden Enthüllungen. Kurz vor der eigentlichen Anhörung in einem Ausschuss des Repräsentantenhauses veröffentlichte die Washington Post den Vorwurf eines erfahrenen Diplomaten: Man habe am 11. September 2012 gefordert, eine Spezialeinheit zum Schutz der angegriffenen Amerikaner zu schicken – doch dem Flugzeug sei die Starterlaubnis nicht erteilt worden.

Sichtlich bewegt und wütend sprach Gregory Hicks, der stellvertretende US-Botschafter in Libyen, über jene Nacht des 11. September 2012. Damals attackierten Extremisten das Konsulat in der Hafenstadt Bengasi, in dem sich Botschafter Christopher Stevens aufhielt. Der Diplomat kam ebenso wie drei Konsulatsmitarbeiter ums Leben, was in den USA für große Bestürzung sorgte.

Seit der Tragödie sind acht Monate vergangen und noch immer ist das konservative Amerika besessen vom Fall “Bengasi”. Dass bei der Anhörung von Hicks und zwei weiteren Mitarbeitern des Außenministeriums im Kern nichts Neues heraus kam, wird den Elan und die inszenierte Wut von Republikanern wie dem Ausschussvorsitzenden Darrell Issa wohl kaum bremsen.

Dem Volk die Wahrheit zu sagen und die “Verschleierungstaktik” der Obama-Regierung bloßzustellen, dieses Ziel betonen alle Abgeordneten. Dem Weißen Haus wird unterstellt, die Verbindung zwischen islamistischem Terror und der Bengasi-Attacke heruntergespielt zu haben, damit Wahlkämpfer Obama weiter von seinen Erfolgen im Kampf gegen Al-Qaida habe schwärmen können.

Doch in den fünf Stunden der Anhörung wurde bestätigt, was im Dezember 2012 eine unabhängige, vom Außenministerium eingesetzte Kommission in einem Bericht dokumentiert: Es habe in Bengasi “zutiefst unzureichende Sicherheitsvorkehrungen” gegeben, die Gefahrenlage sei falsch eingeschätzt und das Personal schlecht ausgerüstet gewesen. Als Reaktion traten vier Beamte des State Department zurück. Gregory Hicks, der frühere Vize-Botschafter, sei nun “das Gesicht” zu den früheren Ergebnissen, urteilt der Fact-Checker der Washington Post.

Dass die Obsession der republikanischen Politiker für Bengasi so stark ist und noch weiter anhalten wird, liegt an drei Faktoren:

Probleme für Hillary Clinton: Die ehemalige Außenministerin gilt als Favoritin für die demokratische Präsidentschaftskandidatur 2016. Im Grundsatz hatte sie als Chefdiplomatin die Verantwortung für die Fehler übernommen, doch direkte Vorwürfe gab es kaum. Dies änderte sich am Mittwoch: Insgesamt 32 Mal wurde ihr Name genannt, wie ein Blogger von Foreign Policy mitgezählt hat.

Das Ziel ist offensichtlich: Die Wähler sollen den Tod von vier Amerikanern mit Clinton assoziieren. Während manche Kolumnisten eine “Hexenjagd” wittern, hält es der konservative Berater Alex Castellanos für “völlig gerechtfertigt”, die politische Zukunft der früheren First Lady mit Bengasi zu verknüpfen. Sie habe zwar Pech gehabt, dass ihr Boss Obama ein schwacher Präsident sei, sagte Castellanos zu Politico, doch letztlich trage sie die Schuld für Bengasi.

Dabei wird oft ein Hillary-Zitat aus einer Anhörung vom Januar 2013 verwendet: “Was macht es denn für einen Unterschied?” Er soll belegen, dass der 65-Jährigen der Tod ihrer Landsleute egal sei. Welche Karriere dieser Satz im rechten Medienspektrum machen dürfte, lässt ein Videoclip erahnen, den Fox-News-Moderator Eric Bolling stolz präsentiert. Er verknüpft einen berühmten Werbespot aus dem Vorwahlkampf 2008, in dem Hillary im Duell mit Obama damit geworben hatte, sie sei besser geeignet, “um drei Uhr morgens” auf eine außenpolitische Krise zu reagieren.

Die Rechte kämpft um ihr Lieblingsthema

Profilierung bei der Basis: Dass die US-Gesellschaft in politischen Fragen extrem polarisiert ist und sich beide politischen Lager misstrauisch gegenüber stehen, ist oft beschrieben worden. Der Abgeordnete muss die eigene Klientel bei Laune halten und Härte beweisen, denn Gefahr in Sachen Wiederwahl droht schließlich vor allem von einem noch radikaleren Herausforderer aus den Reihen und nicht vom politischen Gegner.

An der Verachtung vieler Republikaner für Obama hat sich nichts geändert: Viele trauen dem Demokraten jede Schandtat zu, weshalb Sprüche wie “Gegen Bengasi ist Watergate Kinderkram” gut ankommen. In den letzten Tagen vor der Wahl 2012 brachten viele Romney-Fans Schilder zu Veranstaltungen mit, die den Tod der vier Amerikaner in Libyen thematisierten. Bei der Schlusskundgebung mit Mitt Romney und Paul Ryan in Ohio riefen Dutzende Besucher “Macht endlich eure Arbeit und schreibt über Bengasi” in Richtung des Pressezelts.

Misstrauen gegenüber Mainstream-Medien: Im rechten Amerika ist die Überzeugung weit verbreitet, dass die landesweiten TV-Sender sowie die wichtigsten Zeitungen es allesamt als Auftrag ansehen, die liberale Agenda im Allgemeinen und Barack Obama im Besonderen zu unterstützen. Schilder und Aufkleber mit “Don’t believe the liberal media” sind äußerst populär.

Diese Verschwörungstheorien werden vor allem rund um Bengasi laufend geäußert. So hat die Fox-News-Ikone Bill O’Reilly nachrechnen lassen, wie lang die diversen Sender über die Hicks-Anhörung berichteten: Sein Sender widmete dem Thema fast zwei Stunden, während das liberale MSNBC gar nicht berichtete. Auch beim Frühstücksfernsehen ließ O’Reilly auf die Sekunde genau nachzählen, um seine These zu beweisen (Video hier).

Dem setzte TV-Satiriker Jon Stewart in seiner “Daily Show” einen Zusammenschnitt aus Fox-News-Sendungen entgegen, der erahnen lässt, wo die Voreingenommenheit am stärksten ist.

Eine Prognose sei gewagt: Das Thema Bengasi wird die US-Politik in den nächsten Monaten weiter beschäftigen – und die Argumente ständig wiederholt werden. Die Liberalen beklagen die Verbissenheit der Republikaner und werfen ihnen vor, im Repräsentantenhaus eine bessere Ausstattung der diplomatischen Vertretungen verhindert zu haben.

Die Konservativen werden “Aufklärungsarbeit” leisten, während sich die meisten Beobachter ihr Urteil gebildet haben: Weder das Weiße Haus noch das Außenministerium hätten optimal reagiert und Transparenz zum obersten Ziel ernannt. Dass Obamas Berater die Brisanz eines weiteren Terroranschlags sahen und die Regierung mauerte, bezweifeln wenige in Washington. ABC News schildert detailliert, wie die offizielle Sprachregelung ein Dutzend Mal verändert wurde. Das National Journal überschreibt seine kundige Analyse treffend: “Inkompetenz, aber keine Verschleierung”.

Bisher ist Obamas Ankündigung, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, noch unerfüllt: Vergangene Woche hat das FBI Fotos von drei Libyern veröffentlicht, die in diesem Kontext vernommen werden sollen. Sollte es hier Festnahmen oder gar einen Prozess geben, würde das Interesse noch weiter wachsen.

Und was bedeutet Bengasi für Hillary Clinton? Sollte sich die frühere First Lady zu einer Kandidatur 2016 entscheiden, dann wird das Thema weiter köcheln. Aber es ist zu vermuten, dass sich der Polit-Profi bis dahin gute Argumente und Satz-Bausteine überlegt haben wird, um das damalige Handeln zu erklären.

“Es ist doch absurd, zu denken, dass der Hass auf Hillary verschwunden ist. Er war nur etwas eingeschlafen”, meint James Carville, ein früherer Berater von Ehemann Bill und verweist darauf, dass sogar die Konservativen eine amtierende Außenministerin respektvoll behandeln. Das klingt plausibel: An ihrem öffentlichen Image werden die Ereignisse am 11. September 2012 wenig ändern. Viele Konservativen sehen in ihr eine feministische Aktivistin und lehnen sie mit Inbrunst ab, während sie für progressive Amerikaner und vor allem für Frauen Idol und Hoffnungsträgerin bleibt.

Ein besseres Mittel der Republikaner gegen die Kandidatin Hillary Clinton wären eine modernere und zugleich gemäßigtere Politik sowie ein guter Kandidat. Dagegen wirkt der ständige Hinweis auf Bengasi wie das verzweifelte Greifen nach dem letzten Strohhalm.

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