Stay of Deportation for 5 Million Illegal Immigrants

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US-Präsident Barack Obama krempelt das Einwanderungsrecht um. Von seinem Erlass profitieren sollen junge Ausländer und viele Eltern, die illegal im Land leben, deren Kinder aber einen US-Pass haben.

Am Donnerstagabend hat Barack Obama einmal mehr bewiesen, dass er über die Gabe der Rede verfügt, als er seine umfassende Reform im Umgang mit illegalen Einwanderern verkündete. Auf kunstvolle Weise verwob er seine Politik mit der großen Erzählung Amerikas als Einwanderernation und appellierte sowohl an das Mitleid als auch den Familiensinn seiner Mitbürger, um illegal im Land befindliche Kinder und Eltern vor Abschiebung zu bewahren.

Solch rhetorischer Aufwand war auch durchaus nötig. Schließlich wollte der Präsident die Bürger von der bisher umfangreichsten Amnestie für illegale Einwanderer in der Geschichte der Vereinigten Staaten überzeugen. Die Pläne des Präsidenten sehen vor, in Zukunft bis zu fünf Millionen Illegale im Land vor Abschiebung zu schützen.

“Einwanderung hat uns jung, dynamisch und unternehmungslustig gehalten”, warb der Präsident und meinte, Massenabschiebungen der mehr als elf Millionen illegalen Einwanderer im Land wären “sowohl unmöglich als auch unvereinbar mit unserem Charakter”. Der Präsident kündigte aber gleichzeitig an, den Grenzschutz verstärken zu wollen, um neue illegale Einwanderer fernzuhalten und die Möglichkeiten zur legalen Einwanderung für begehrte Fachkräfte, Studenten und Unternehmer zu verbessern.

Im Kern geht es aber darum, fast die Hälfte der illegalen Einwanderer im Land aus einer Situation der Unsicherheit und Unberechenbarkeit herauszuhelfen. Obama will einerseits ein Programm aus dem Jahr 2012 ausweiten, das jene Illegalen vor Abschiebung bewahrt, die als Kinder nach Amerika kamen. Das dürfte neben den bisher 1,2 Millionen Bleibeberechtigten (von denen aber nur 600.000 Anträge gestellt hatten) etwa weitere 270.000 Menschen betreffen.

Weit umfangreicher sind jedoch die Zahlen für eine ganz neue Gruppe, die in den Genuss des Abschiebestopps kommen soll: Illegal eingereiste Eltern von Kindern, die entweder amerikanische Staatsbürger sind oder eine Arbeitserlaubnis haben und seit mehr als fünf Jahren in den Staaten leben. Das würde für etwa 3,7 bis vier Millionen der insgesamt 11,3 Millionen Illegalen im Land gelten.

Elternamnestie ist eine große Erleichterung

“Diese Menschen leben in Furcht und Angst, weil sie immer damit rechnen müssen, abgeschoben zu werden”, sagt Ana Ochoa Cohen der “Welt”. Die Anwältin betreibt ein Büro am Rande Washingtons und hat sich auf Einwanderungsfragen spezialisiert. Die Elternamnestie sei auch für die jüngeren, die schon 2012 vor Abschiebung geschützt wurden, eine große Erleichterung.

“Die Jungen haben sich so gefreut, aus dem Schatten der Illegalität herauszukommen”, berichtet die Anwältin von Ihren Erfahrungen. “Aber bisher haben sie immer noch die Angst mit sich herumgetragen, dass ihren Eltern etwas passieren könnte.”

Obama stellte seine umfangreiche Reform aber nicht als “Amnestie” dar, sondern als Versuch, all jene, die ohnehin schon im Land lebten in die Verantwortung zu nehmen. “Wir alle ärgern uns über diejenigen, die die Annehmlichkeiten des Lebens in Amerika genießen, ohne auch die Pflichten zu übernehmen, die damit einhergehen”, sagte der Präsident. Bisher hätten aber selbst die Illegalen, die diese Pflichten hätten übernehmen wollen, keine Chance gehabt das zu tun, ohne zu riskieren, dass ihre Familien auseinandergerissen würden.

Der Präsident bietet den Illegalen im Land nun einen Deal an: “Wenn Ihr mehr als fünf Jahre in Amerika gewesen seid, wenn ihr Kinder habt, die amerikanische Staatsbürger sind oder über einen Aufenthaltsstatus verfügen, wenn ihr Euch registrieren lasst, einen polizeiliche Überprüfung besteht und bereit seid, Euren fairen Anteil an Steuern zu zahlen, dann könnt Ihr Euch darauf bewerben zeitweise in diesem Land zu leben ohne Angst vor Abschiebung.”

Dieser Deal gelte aber nicht für die, die vor kurzem erst in die USA gekommen seien. Es sei auch kein Weg hin zu einem dauerhaften Aufenthaltsstatus oder gar zur Erlangung der Staatsbürgerschaft. Die von der Regelung Betroffenen könnten auch nicht dieselben staatlichen Privilegien erhalten wie sie amerikanische Bürger genießen – etwa einen Anspruch auf die neue allgemeine Krankenversicherung.

Harsche Kritik von Seiten der Republikaner

Schon im Vorfeld hatten die Republikaner Obamas Dekret zur Einwanderungsreform scharf kritisiert als Überdehnung präsidialer Machtbefugnisse. Geholfen hat ihnen dabei Obama selbst. Der hatte in den Jahren zuvor nämlich genau das behauptet, was die Republikaner nun sagen: eine solch weitgehende Präsidialanweisung verstoße gegen geltende Einwanderungsgesetze und liege nicht in seinen Befugnissen als Präsident.

Anfang 2013 etwa rechtfertigte Obama seine damalige Untätigkeit in der Einwanderungsfrage gegenüber dem spanischsprachigen TV-Sender Univision “ich denke es ist wichtig alle daran zu erinnern, dass ich kein König bin. Ich bin der Kopf der Exekutive und ich bin daran gebunden, mich an das Gesetz zu halten.” Einen Monat später variierte er dieses Motiv bei einer Google-Fragestunde und meinte, er sei “nur der Präsident, nicht der Kaiser der Vereinigten Staaten”.

In einem weiteren Interview mit einem spanischen Sender sagte Obama explizit, dass eine Ausweitung der von ihm im Jahr 2012 beschlossenen Amnestieregelungen für Minderjährige auch auf andere Gruppen hieße, das Gesetz zu missachten, was “juristisch sehr schwer zu vertreten wäre”.

Kein Wunder also, dass die Republikaner nun Obamas Aussagen von früher gegen ihn wenden und von einer “königlichen Präsidentschaft” sprechen, was im strikt antimonarchischen Amerika ein harscherer Vorwurf ist als etwa in Europa, schließlich musste die amerikanische Unabhängigkeit erst im Kampf gegen die britische Krone erkämpft werden. Abgeordnetenhaussprecher John Boehner sprach gar vom “Kaiser Obama” und meinte, der Präsident überschreite seine von der Verfassung zugebilligte Macht und zementiere “sein Erbe der Gesetzlosigkeit”.

Übt die Novelle einen Sogeffekt auf Zuwanderer aus?

Mitch McConnell, designierter Mehrheitsführer im neuen Senat, wies am Donnerstag auch darauf hin, dass die Präsidentenamnestie die Fairnessregeln verletzte gegenüber all jenen, die lange gewartet hätten, um sich auf legale Weise Visum und Arbeitserlaubnis zu verschaffen. Die Republikaner fürchten zudem, dass die Amnestie einen Sogeffekt auf Lateinamerika ausüben könnte, weil neu ankommende Illegale darauf hoffen können, irgendwann ebenfalls in den Genuss eines präsidialen Gnadenaktes zu kommen.

Angesichts der Kritik bemühte sich der Präsident, seine Reform als verfassungsgemäß darzustellen und als bloße Ausführungsbestimmung zu deklarieren. Der Kopf der Exekutive hat in den USA relativ großen Spielraum bei der Umsetzung von Gesetzen. Es gehe vor allem darum, neue Prioritäten zu setzen, meinte Obama. Man wolle Verbrecher statt Familien abschieben, Kriminelle statt Kinder und Bandenmitglieder statt Mütter, die hart arbeiten um ihre Kinder zu ernähren. Und er sagte in Richtung Republikaner, dass seine neuen Maßnahmen nur solange nötig sein würden, bis der Kongress ein neues Einwanderungsgesetz verabschiede.

In Umfragen spricht sich eine Mehrheit der Amerikaner zwar für ein neues Zuwanderungsgesetz aus, in einer Befragung aus der vergangenen Woche für die Zeitung “USA today” lehnte eine Mehrheit jedoch das Vorgehen Obamas ab, solch eine Reform per Präsidentendekret durchzudrücken. Diese verfassungsrechtliche Übergriffigkeit des Demokraten im Weißen Haus bringt die Republikaner nun jedoch in eine unangenehme Lage. Eigentlich gilt die Marschroute des Parteiestablishments um McConnell und Abgeordnetenhaussprecher Boehner, dass man in den kommenden zwei Jahren pragmatisch nach Lösungen suchen und Regierungsfähigkeit beweisen will. Die Bürger sollen Vertrauen in die Partei fassen, um ihr in zwei Jahren auch den Sprung ins Weiße Haus zu ermöglichen.

Hilfreich war dafür etwa, dass bei den letzten Zwischenwahlen – anders als bei den zwei Wahlgängen zuvor – weit mehr moderate Republikaner oder pragmatische Konservative gewählt wurden und die rebellische Tea-Party-Bewegung eingehegt werden konnte. Nun fürchtet die Parteiführung jedoch, dass die Wut über Obama denjenigen wieder Auftrieb verschafft, die Prinzipientreue und Nein–Sagertum statt Pragmatismus predigen.

Gerade erst war es der Partei gelungen, die Reihen zu schließen und wieder so etwas wie interne Disziplin herzustellen. Nun könnte der alte Graben zwischen der Tea Party und dem Parteiestablishment wieder aufbrechen. Gut möglich, dass Obama diesen Effekt mit einkalkuliert hat.

Wenn es der republikanischen Parteiführung nicht gelingen sollte, die Wut ihrer Mitglieder über Obamas unilaterale Machtdemonstration zu besänftigen, könnte das jedoch bedeuten, dass der Grabenkrieg der vergangenen Jahre und die Lähmung des politischen Systems sich um weitere zwei Jahre verlängern wird.

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