‘Fuck the EU’ Is Not the Problem

Published in die Zeit
(Germany) on 7 February 2014
by Carsten Luther (link to originallink to original)
Translated from by Erica Wilfong Boxheimer. Edited by Amanda Dunker.
To always say the right thing, to keep composure in every situation — that is utopian. If a secretary of state at the U.S. Department of State says something vulgar in the supposed intimacy of a telephone call, it means, for a start, a little astonishingly: Diplomats are people. “Fuck the EU” slipped out of Victoria Nuland’s mouth in a discussion with the American ambassador in Ukraine, Geoffery Pyatt. The recording of her conversation was made public and everyone got upset — predictable, but basically ridiculous.

Americans might be certified with a culturally conditioned aversion to that evil F-word in public. At the same time, they love it. In this situation, it primarily proves how emotionally the diplomat represents her position. That’s what everyone wants in politics: passion and clarity.

Another finding from the conversation: Phones were bugged — because of Edward Snowden, nobody wonders about that anymore. The Americans should be the last to be genuinely upset over it. And the others? Please don’t also get upset. Rather, the U.S. asked how this could have happened. Were the diplomats careless and speaking over an unsecure connection? Or did someone hack the encryption? They should be worried about that.

And who was so bold — or so clever — not only to listen to, but also release the conversation? The Russians, say the Americans. And in fact, they don’t risk a lot with this assumption.

Russia, the self-appointed protector of Ukraine, uses any means these days to further bind the “renegade” states of the former Soviet Union to itself — for economic reasons, as well as its ambition to remain a world power. Part of it is the oft-voiced propaganda that the protests in Kiev were an attempted coup d’état controlled from abroad. And that’s the reason for the attempt to discredit and split the Western “opponents.” The EU and U.S. should be interested in coordinating strategies; if the F-word affair drives a wedge between the EU and U.S., the Russians will be happy.

"Fuck the Ukrainian people"

One must clarify all that before one turns towards the contents of the conversation. Since its release is so useful to the Russians, it should be enjoyed with caution. Even if Americans have not questioned whether the recording is authentic, it doesn’t show the complete conversation, which means it could have been edited to exaggerate the desired effect.

The remainder of the recording suits the Russians even more than the F-word. If Nuland and Pyatt discuss the possible composition of a new government after Yanukovych, they create a fatal impression of not being a well-intentioned mediator who does everything in its power to end the crisis peacefully, caring only about the interests of the Ukrainian population. The diplomats could have also said, “fuck the Ukrainian people.” In this way, holding it against the Russians for intervening in the affairs of other countries and wanting to bring them under their own control loses credibility.

Oh well, and the EU? For them, Nuland’s resounding criticism that Europeans have not put enough pressure on Ukraine is certainly not surprising. A second recorded conversation, between high-ranking German EU diplomat Helga Schmid and Jan Tombinski, the EU ambassador to Ukraine, proves it: Americans would spread the idea that the Germans are “too weak,” “too soft,” and that they are stronger because they were quick to decide on sanctions, said Schmidt.

One doesn’t have to be particularly creative to accuse the EU of having long underestimated the development in Ukraine, and for being slow to find a constructive attitude. But, if the Russians want to make the crisis a geopolitical showdown, then it is good to heed what Tombinski answered to Schmidt: “We are not competing about who acts stronger, we have other instruments” — better coordination between Americans and Europeans cannot hurt.


"Fuck the EU" ist nicht das Problem

US-Spitzendiplomatin Nuland schimpfte auf die EU, ihr Telefonat wurde öffentlich. Doch jenseits von derben Sprüchen zeigt sie Probleme der westlichen Ukraine-Politik auf.

EIN KOMMENTAR VON CARSTEN LUTHER

Immer nur das Richtige sagen, in jeder Situation die Contenance wahren – das ist utopisch. Wenn die Staatssekretärin im US-Außenministerium also in der vermeintlichen Intimität eines Telefonats etwas derbe geworden ist, heißt das erst einmal wenig überraschend: Diplomaten sind Menschen. "Fuck the EU", entfährt es Victoria Nuland im Gespräch mit dem amerikanischen Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt – der Mitschnitt ihrer Unterhaltung ist öffentlich geworden, alle regen sich auf. Vorhersehbar, aber im Grunde albern.
Den Amerikanern darf man eine kulturell bedingte Abneigung für das böse F-Wort in der Öffentlichkeit bescheinigen. Gleichzeitig lieben sie es. In dieser Situation belegt es vor allem, wie emotional die Diplomatin ihre Position vertritt. Das wünscht man sich doch in der Politik: Leidenschaft und Klartext.

Eine weitere Erkenntnis aus dem Gespräch: Telefone werden abgehört – Edward Snowden dürfte seinen Teil dazu beigetragen haben, dass auch das niemanden mehr wundert. Die Amerikaner sind die letzten, die sich darüber ernsthaft erregen sollten. Und die anderen? Bitte auch nicht. Eher stellt sich in den USA die Frage, wie es dazu kommen konnte. Waren die Diplomaten unvorsichtig und sprachen über eine unsichere Verbindung? Oder konnte jemand die Verschlüsselung knacken? Darüber dürften sie sich Sorgen machen.

Und wer war überhaupt so dreist – oder so clever –, das Gespräch nicht nur abzuhören, sondern auch noch zu veröffentlichen? Die Russen sollen es gewesen sein, sagen die Amerikaner. Und in der Tat: Mit dieser Vermutung riskiert man nicht viel.

Russland, die selbst ernannte Schutzmacht der Ukraine, greift in diesen Tagen zu jedem Mittel, um die "abtrünnigen" Staaten der früheren Sowjetunion weiter an sich zu binden – aus wirtschaftlichen Gründen wie aus der Ambition, eine Weltmacht bleiben zu wollen. Dazu gehört die vielstimmige Propaganda, die Proteste in Kiew seien ein versuchter Staatsstreich, der aus dem Ausland gesteuert wird. Und dazu gehört eben auch der Versuch, die westlichen "Gegenspieler" zu diskreditieren und zu spalten. Treibt die F-Wort-Affäre also einen Keil zwischen die EU und die USA, die durchaus an einer gemeinsamen Linie interessiert sein müssten – dann freuen sich die Russen.

"Fuck the Ukrainian people"
All das muss man sich klarmachen, bevor man sich dem Inhalt des Gesprächs zuwendet. Denn weil dessen Veröffentlichung für die Russen so nützlich ist, sollte es mit Vorsicht genossen werden. Selbst wenn die Amerikaner mit keiner Silbe infrage gestellt haben, dass die Aufnahme authentisch ist: Sie gibt nicht die komplette Unterhaltung wieder, könnte deshalb durchaus bearbeitet worden sein, um den gewünschten Effekt zu verstärken.

Mehr noch als das F-Wort kommt der Rest der Aufzeichnung den Russen gelegen. Wenn Nuland und Pyatt über die mögliche Zusammensetzung einer neuen Regierung nach Janukowitsch diskutieren, erwecken sie einen fatalen Eindruck: eben nicht den eines wohlmeinenden Vermittlers, der alles in seiner Macht Stehende tut, um die Krise friedlich zu beenden und dabei ausschließlich die Belange der ukrainischen Bevölkerung im Blick hat. Vielmehr bleibt hängen, was ebenfalls manchen nicht wundern wird: Die USA sehen nur ihre eigenen Interessen und wollen die Chance ergreifen, eine ihnen genehme Führung in der Ukraine zu installieren. Die Diplomaten hätten auch gleich sagen können: "Fuck the Ukrainian people." Den Russen anzukreiden, sich in die Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen und sie der eigenen Kontrolle unterwerfen zu wollen, verliert so jedenfalls an Glaubwürdigkeit.

Ach ja, und die EU? Für sie kommt die bei Nuland mitschwingende Kritik, die Europäer entwickelten gegenüber der Ukraine zu wenig Druck, sicher nicht überraschend. Das zeigt ein zweites aufgezeichnetes Gespräch zwischen der deutschen EU-Spitzendiplomatin Helga Schmid und dem EU-Botschafter in der Ukraine Jan Tombinski: "Zu schwach", "zu weich", das würden die Amerikaner überall herumerzählen und sich stärker fühlen, weil sie schneller auf Sanktionen setzten, sagt Schmid.

Man muss nicht sonderlich kreativ sein, um der EU vorzuwerfen, die Entwicklung in der Ukraine lange unterschätzt zu haben und nur langsam zu einer konstruktiven Haltung zu finden. Aber wenn die Russen diese Krise zu einem geopolitischen Kräftemessen machen wollen, dann gilt es wohl zu beherzigen, was Tombinski auf Schmid antwortet: "Wir sind nicht in einem Rennen, wer stärker vorgeht, wir haben andere Instrumente" – eine bessere Abstimmung zwischen Amerikanern und Europäern kann nicht schaden.
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