Sachpolitik als Hobby: Mit seinem neuen Parteispendenurteil fördert der US Supreme Court die Abhängigkeit der Politik von industriellen Geldgebern. Mit Meinungsfreiheit hat das wenig zu tun.
Die Politik in Amerika ist süchtig nach Geld. Es ist eine schwere, langjährige Sucht, und die Süchtigen schämen sich noch nicht einmal mehr, sie öffentlich auszuleben. Als der Casino-Milliardär Sheldon Adelson jüngst nach Las Vegas bat, reisten gleich drei republikanische Gouverneure an, die Präsident werden möchten. Diese “Sheldon-Vorwahl” ist berüchtigt – wenn also Adelson beschließt, in welche Republikaner er investiert. Selten aber haben ihn die Abhängigen so öffentlich umworben wie jetzt.
Der Supreme Court hat nun in einem neuen Parteispendenurteil befunden, dass die Politik besser bedient ist, wenn sie noch mehr Geld bekommt. Jeder Einzelne darf also Millionen statt bloß Tausende Dollar überweisen an Kandidaten für Ämter und Mandate in Washington. Es ist nur das jüngste Urteil aus einem halben Dutzend, mit denen das Verfassungsgericht die Grenzen der Parteienfinanzierung abschafft. Allein für die Wahlen 2012 hat das Land sechs Milliarden Dollar ausgegeben.
Der konservative Supreme Court fördert die Sucht, indem er den Zugang zum Stoff erleichtert. Er begründet dies mit der Meinungsfreiheit: Kein Recht sei so grundlegend wie jenes, an der Wahl von Politikern teilzunehmen. Nun waren manche Meinungen schon immer einflussreicher als andere, weil manche Menschen lauter reden als andere, oder sich bloß öfter wiederholen. Allerdings ist es lebensfremd, Millionenbudgets bloß eine “Teilnahme” an der Demokratie zu nennen. Eher wirkt Sachpolitik schon wie ein Hobby, dem Abgeordnete nachgehen, wenn sie ihre Spendensammel-Pflichten erledigt haben.
Dem Betteln der Parteien ausgeliefert
Das bedeutet nicht, dass wohlhabende Menschen immer bekommen, was sie wollen. Der Milliardär Adelson hat 2012 acht rechte Kandidaten unterstützt – alle haben verloren. Geld allein gewinnt keine Wahlen, und der Präsidentschaftskandidat Mitt Romney dürfte sogar unterlegen sein, weil er die Finanzwelt verkörperte.
Aber Geld – nein, viel Geld – ist in den USA unentbehrlich für einen Wahlsieg. Es beeinflusst die Politik lange vor dem Wahltag: Spender befinden mit darüber, wer zur parteiinternen Vorwahl antritt. Im Wahlkampf müllen Großspender alle verfügbaren Medien mit polemischer Werbung zu, die vor Lügen strotzt und nicht so sehr die gesellschaftliche Debatte voranbringt, als eher die private Agenda jener, die die Rechnung bezahlen. Schließlich wirkt die Abhängigkeit von Spendern lange nach, im Parlament und in Ämtern. Sie führt oft dazu, dass die Industrie unbeaufsichtigt tut, was sie will. Umgekehrt werden die Geldgeber nach dem Urteil mehr als bisher dem Betteln der Parteien ausgesetzt sein. Sie können die Süchtigen nicht mehr abweisen mit dem Hinweis, sie hätten ihre Spendengrenze schon erreicht.
Bereits im Herbst könnten die Republikaner mithilfe ihrer Spender die Mehrheit im US-Senat zurückzugewinnen. Das Land, geplagt von notorischer Ungleichheit, kann sich dann immerhin mit seinem Großmut trösten: Wer Geld hat, durfte seine Meinung mit allen Mitteln sagen.
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