Kamala Harris Has Learned Nothing from Barack Obama’s Mistakes

<--

Aus Obamas Fehlern hat Kamala Harris nichts gelernt

Noch heute wird der charismatische Ex-Präsident gefeiert. Doch sein Politikstil hat die Demokraten und das Land in eine Krise geführt und den Aufstieg Trumps befördert. Und auch Kamala Harris setzt vor allem auf Selbstvermarktung.

Manch einer schafft es, ganz ohne Glaskugel die Zukunft vorherzusagen. Zum Beispiel der afroamerikanische Politikwissenschaftler Adolph Reed. 1996 schrieb er über den Aufstieg eines jungen Abgeordneten aus Chicago. In dem charismatischen Politik-Novizen sah er den Vorboten einer neuen Art von schwarzen Stimmen aus der „Community“, die von Stiftungen ausgebrütet werden, Wohltätigkeits-Engagements im Lebenslauf haben und für inhaltsleeren bis repressiven Neoliberalismus stünden.

Der junge Politiker kaschiere mit vermeintlich bürgernaher Rhetorik den Mangel an politischem Programm und setze eher auf Inkrementalismus als auf echten Veränderungswillen. Identitätspolitik paare sich mit altmodischen Mittelschichtsvorstellungen von Reformen. Die Rede war von Barack Obama.

Es ist erstaunlich, wie beliebt der 44. Präsident der Vereinigten Staaten in seiner Partei noch immer ist. Dabei trägt Obama eine erhebliche Schuld am Abstieg der Demokraten und hat mit seiner Politik eine Mitschuld am Aufstieg Donald Trumps.

2008 wurde Obama – bekanntlich getragen von weltweiter Begeisterung – zum Präsidenten gewählt. Nach den desaströsen Bush-Jahren inszenierte er sich mit seinen Slogans „Yes, we can“ und „Hope“ als Präsident der Erneuerung. Seine Floskeln füllte er jedoch nie mit Leben. Hoffnung auf was? Was können wir denn? Das wurde nie wirklich klar.

Politik für mächtige Lobbys

Und trotz komfortabler parlamentarischer Mehrheit und breitem Rückhalt in der Bevölkerung fing Obama wenig mit seiner Präsidentschaft an. Obamacare, heute als Meilenstein der Gesundheitspolitik gefeiert, ist in weiten Teilen ein Subventionspaket für die private Versicherungswirtschaft nebst einem komplizierten Ausbau bestehender öffentlicher Systeme. Statt endlich eine allgemeine Krankenversicherung einzuführen, wählte er den „inkrementellen“ Weg, um bloß keine mächtigen Lobbys zu verschrecken.

Den Mindestlohn erhöhte er über acht Jahre nicht, und seine zögerliche, auf Konsolidierung der Staatsfinanzen und Stabilisierung des Finanzsektors getrimmte Maßnahmenpolitik während der Wirtschaftskrise sorgte für einen nur langsamen Aufschwung und einen für die Arbeiterschaft verheerenden Wohlstandsverlust sowie lange Zeit hohe Arbeitslosenzahlen.

Stets war Obama darauf bedacht, die mächtigen Geldgeber und Lobbyisten, mit denen er sich seit Beginn seiner politischen Karriere verbandelt hatte, nicht vor den Kopf zu stoßen. Kurz: Er handelte genau so, wie Adolph Reed prophezeit hatte.

Zudem richtete er die Demokraten so sehr auf die Vermarktung der eigenen Person aus, dass die Landesverbände im Kern-Amerika reihenweise Parlamentssitze, Senatoren sowie Gouverneursposten verloren und seitdem in großen Teilen des Landes kaum noch konkurrenzfähig sind. Am Ende seiner Präsidentschaft stand die Partei vor dem Nichts, und als Folge seiner ambitionslosen Politik, deren noch ambitionslosere und ebenso narzisstische Fortsetzung unter Hillary Clinton drohte, gelangte Donald Trump ins Weiße Haus.

Die Zeit nach seiner Präsidentschaft hat Obama hauptsächlich damit verbracht, Geld zu verdienen. Mit Büchern, Netflix-Produktionen und bezahlten Reden. Sein Narzissmus ist noch immer unter anderem daran erkennbar, dass er mehrmals im Jahr seine Lese- und Spotify-Listen postet.

Fehlender Veränderungswille

Sein nachhaltigster negativer Einfluss auf die Demokraten zeigt sich jedoch in der Generation Politiker, die ihm nachfolgte und sein Erfolgsrezept zu kopieren versuchte. Politiker, die nicht auf Basis eines politischen Programms und einer Vision für das Land gewählt werden wollen, sondern aufgrund ihrer Persönlichkeit und neuerdings wegen ihrer demografischen Merkmale. Politiker, die kaum politischen Veränderungswillen zeigen und immer ein offenes Ohr für reiche Großspender haben.

Zu diesem Archetyp gehört neben dem Verkehrsminister Pete Buttigieg auch Kamala Harris, die ihre politischen Haltungen stets bereitwillig ändert, wenn es der Zeitgeist erfordert und die ebenfalls lieber ellenlange Sermone hält, anstatt mit konkreten Vorhaben, die sie auch wirklich durchsetzen will, um Wähler zu werben.

Bloß fehlt Harris das politische Talent Obamas. Statt mitreißender Reden sorgt ihre politische Beliebigkeit dafür, dass ihre Predigten eher pseudo-tiefgründig und zusammenhanglos wirken. Hauptsache, man legt sich auf nichts fest, was Wähler später einfordern könnten. Ihre Umfragewerte mögen aussichtsreicher als Joe Bidens sein. Das liegt aber hauptsächlich daran, dass sie Demokraten-Stammwähler wieder motiviert hat und nicht daran, dass sie im notwendigen Umfang neue Wählergruppen erschlossen hätte.

Verwundern tut das nicht. Jeder Amerikaner weiß seit Obamas Präsidentschaft, dass von den blumigen Reden im Wahlkampf meist wenig Zählbares übrig bleibt, wenn der jeweilige Demokrat erst mal ins Weiße Haus gewählt wurde.

Bröckelnde Zustimmung

Die Präsidentschaftswahl in diesem Jahr steht – trotz eines immer erratischer auftretenden Gegenkandidaten ohne erkennbare Agenda – für die Demokraten mal wieder auf der Kippe. Und Obama mischt wieder im Wahlkampf mit, und zwar mit paternalistischen Sexismus-Vorwürfen an schwarze Männer. Diese würden sich seiner Meinung nach nicht genug für Kamala Harris begeistern, weil sie eine Frau sei. So schnell wandert die einstige Opfergruppe (George Floyd!) in die reaktionäre Ecke. Entsprechend wenig erfreut waren viele Schwarze über Obamas Anschuldigungen. Die kollektive Anhimmelung des Ex-Präsidenten scheint bei seiner einstigen Gefolgschaft zu bröckeln.

Kamala Harris ist zumindest klug genug, Obamas Vorwürfe nicht aufzugreifen. Die Präsidentschaftskandidatin hat ein Konzept zur Förderung schwarzer Männer vorgestellt – sich dabei allerdings wieder am Obama-Stil orientiert. Es gibt nicht etwa eine Festlegung auf neue Mindestlohnhöhe oder die Einführung einer allgemeinen Krankenversicherung – von beidem würden überproportional schwarze Männer profitieren.

Nein, Harris entwirft wieder komplizierte Mini-Programme, etwa Gründerzuschüsse für Schwarze, ein Mentoren-Programm und – besonders seltsam – eine Art Absicherung für Krypto-Investments. Ihre neue Begeisterung für Krypto-Währungen fand sie natürlich bei einer Spendenveranstaltung mit Vertretern der Finanzindustrie.

Es ist genau die Art von Politik und dieselbe Art der Inszenierung, über die Adolph Reed schon vor fast 30 Jahren schrieb. Nur, dass es jetzt nicht mehr um Barack Obama geht, sondern um seine gelehrigste Schülerin

About this publication